Klodeckel des Tages

19. Juli 2015

Krugman und Stiglitz: Primitiv-Keynesianismus als Kassenschlager

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Das Euro-Debakel spaltet nicht nur Europa, sondern auch die Wissenschaft. Und als wäre es nicht schlimm genug, dass auch hierzulande eine Reihe von Ökonomen fordern, immer mehr Geld in der Ägäis zu versenken, mischen sich von jenseits des Atlantiks zwei Herren ein, deren Großmäuligkeit inzwischen nicht mehr nur lästig, sondern im Tonfall geradezu unverschämt ist. Sie sind Nobelpreisträger und Bestseller-Autoren, doch nicht nur das verbindet Paul Krugman und Joseph Stiglitz. Vor allem eint sie ihre große Liebe zum Neo-Keynesianismus, den sie mit ideologischer Blindheit verfechten. Kernstück der Theorie ist, dass eine Volkswirtschaft schon irgendwie floriere, wenn der Staat nur genug Geld unters Volk bringe, weil die Menschen umso mehr konsumierten, je mehr Geld sie zu Verfügung hätten. Der Gedanke ist verblüffend einfach und klingt schlüssig, hat jedoch den Haken, dass das Geld auch irgendwo herkommen muss. Entweder muss also die Gelddruckerei angeworfen werden, oder es wird kräftig von oben nach unten verteilt. Wo immer das eine oder das andere versucht worden ist, endete dies in der totalen Überschuldung des Staates und einem miserablen Lebensstandard für die Bevölkerung.

Doch so sehr das von John Maynard Keynes vor rund 100 Jahren entwickelte Denkmodell längst widerlegt ist, so hartnäckig halten sich romantische Umverteilungsphantasien ewig gestriger Alt-Sozialisten wie Krugman und Stiglitz. Diese maßen sich mittlerweile einen Ton an, der sie als Wissenschaftler diskreditiert. Es verwundert schon, dass sich zwei derart hoch dekorierte Volkswirte so undifferenziert, parteiisch und unwissenschaftlich äußern – und dabei auch noch zahlreiche Anhänger finden. Die beiden Amerikaner greifen sich für ihre kruden Theorien aus der sogenannten nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik nur jene Aspekte heraus, die sich besonders plakativ für ihre Angriffsrhetorik nutzen lassen. Seit einiger Zeit haben sie es dabei auf Deutschland abgesehen, was sicher auch mit der eigenen familiären Vergangenheit zu tun hat. Krugmann und Stiglitz scheinen Deutschland geradezu zu hassen. Deutlich wird dies vor allem an Krugmans Äußerungen, wenn er Deutschland in Bezug auf Griechenland „Putsch-Absichten“ unterstellt oder gar von einer „Machtergreifung“ spricht. Ganz bewusst assoziiert er das politische Handeln der Bundesregierung mit dem Nationalsozialismus. Ins Bild passt dabei auch, dass er Kanzlerin, Finanzminister und Co., stets als „Führer“ tituliert.

Die Forderung der von Deutschlands Steuerzahlern gewählten Bundesregierung, man möge doch bitte im Gegenzug für viel Geld funktionsfähige staatliche Strukturen in Griechenland aufbauen, halten Krugman und Stiglitz für den Versuch, Europa zu zerstören. Statt dem Rest den eigenen Sparfetisch aufzuzwingen, müsse Deutschland hinnehmen, dass man anderswo eben lieber auf Pump lebe – und dies gefälligst bezahlen. Es ist offenkundig, dass hier zwei alte Männer ihre Rachsucht ausleben, die den Zenit ihres Schaffens längst überschritten haben. Nur vordergründig sind es volkswirtschaftliche Überlegungen, von denen sie sich leiten lassen. Ihre Hasstiraden sind vor allem ein politisches Statement: Deutschland soll nun endlich seine moralische Schuld aus der Zeit des Nationalsozialismus begleichen. Es wäre ehrlicher und dem ernsthaften volkswirtschaftlichen Diskurs dienlicher, wenn die ehemaligen Stars der Ökonomie ihre Motive offenlegten und sich nicht mehr mit dem Deckmantel der Volkswirtschaftslehre tarnten. Denn über moralische Fragen kann man in Ethik-Vorlesungen trefflich debattieren. Doch damit könnten Krugman und Stiglitz dann sicher nicht so viel Staub aufwirbeln – und vor allem viel weniger Bücher verkaufen.

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12. Juli 2015

„Ich bin doch nicht blöd“: Bleibt der Euro, dann scheitert Europa!

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Er hat gesagt, was viele Millionen denken. Respekt, Wolfgang Schäuble! Selten hat sich ein amtierender Spitzenpolitiker so deutlich dem gesunden Menschenverstand verschrieben wie der Bundesfinanzminister in diesen Tagen. Folgerichtig genießt Schäuble derzeit unter den deutschen Politikern das größte Ansehen. Dass jemand, der etwas zu verlieren hat, aus dem politischen Lügengebäude ausbricht, ist selten. Normalerweise trauen sich so etwas nur jene, die sich bereits aus der aktiven Politik verabschiedet haben. Einen „Grexit“ für fünf Jahre schlägt Deutschlands oberster Kassenhüter vor, nachdem die griechische Regierung ihren Geldgebern abermals einen wenig ambitionierten Maßnahmenkatalog vorgelegt hat. Viel neues Geld soll nach Athen fließen. Manche sprechen inzwischen von 100 Milliarden Euro, obwohl der griechische Hilfsantrag nur von der Hälfte dieser Summe ausgeht. Doch selbst das ist bereits ein gewaltiger Schluck aus der Pulle, der vor allem auf Kosten der europäischen Steuerzahler geht. Niemand glaubt ernsthaft, dass irgendein Euro, der den Weg nach Athen gefunden hat, je wiederkehrt. Ein mögliches drittes Hilfspaket sorgt daher inzwischen für gewaltiges Grummeln im völlig zerstrittenen Euro-Club.

Und so fühlt sich Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande nun berufen, die Zügel an sich zu reißen. Frankreich macht sich vehement dafür stark, immer mehr Geld nach Griechenland umzuverteilen. Die französische Regierung hat den aktuellen Hilfsantrag der Griechen gar mit formuliert. Um dies zu verstehen, muss man wissen, wie stark Hollande unter dem Druck der Hardliner seiner sozialistischen Partei steht. Und natürlich weiß auch er, dass Frankreich bei einer Zuspitzung des Euro-Debakels selbst auf die europäischen Finanzspritzen angewiesen sein könnte. Ebenso wie Italien, von wo aus Regierungschef Renzi lautstark gegen Schäubles Vorschlag wettert. Es sind vor allem die beiden wackelnden Südstaaten, die Athen zur Seite springen. Weniger Portugal und Spanien, was nicht verwundert, gehören diese doch zu den Ländern, die ihre Staatsschuldenkrise zwar mit europäischer Finanzhilfe, aber vor allem mit schmerzhaften Reformen in den Griff bekommen haben. Letzteres ist auch den Ländern in Osteuropa und im Baltikum gelungen, die ebenfalls nicht einsehen, warum mangelnder Wille belohnt werden soll. Zwar haben Griechenlands Bürger bereits einen hohen Preis bezahlt, doch was nutzt dies in einem Land ohne funktionierendes Staatswesen?

Um derlei Fragen geht es aber schon nicht mehr. Längst steht die Zukunft Europas auf dem Spiel, das wieder einmal zum Spielball der Weltmächte geworden ist. Vor allem zum Spielball der Amerikaner, die über den Internationalen Währungsfonds kräftig mitmischen. Das enorme Interesse der USA am Euro-Verbleib der Griechen rührt von der Angst her, man könne seinen strategisch wichtigen Militärstützpunkt im Land verlieren und Griechenland unter russischen Einfluss geraten. Nicht wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Fragen bestimmen das Handeln, sondern knallhartes militärisches Kalkül. Der Euro ist zur Waffe mutiert. Und ganz nebenbei entfaltet er eine Wirkung, die jener der Versailler Verträge von 1919 immer ähnlicher wird. Nicht ohne Grund erhalten quer durch Europa Radikale aller Couleur Auftrieb. Der Euro ist eine der größten politischen Fehlentscheidungen der europäischen Geschichte. Je schneller sich die sogenannte politische Elite das Scheitern ihres Projekts eingesteht, umso besser für die Menschen auf dem Kontinent. Schäuble hat einen wichtigen Anstoß dazu geliefert. Es wird ein langer, dorniger Weg, aber wir werden ihn gehen müssen, um die Errungeschaften der letzten 70 Jahre zu verteidigen. Denn bleibt der Euro, dann scheitert Europa!

1. März 2015

Der verhinderte „Grexit“: Noch ein paar Runden Ouzo aufs Haus

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Heute geht der „Klodeckel“ an den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Der von den deutschen Medien zur Stilikone verklärte angebliche Frauenschwarm, der ein bisschen an den berüchtigten Lord Voldemort aus der Harry-Potter-Saga erinnert, hat ein dunkles Kapitel in der Euro-Politik eingeläutet. Schwarze Magie braucht er dafür allerdings nicht, denn längst sind viele seiner europäischen Kontrahenten zu Komplizen geworden. Mit ihrer von Anfang an zum Scheitern verurteilten Euro-„Rettung“ hat sich Europas sogenannte politische Elite in eine Lage gebracht, in der sie selbst von den unbedeutendsten Mitläufern des Euro-Clubs erpressbar ist. Seit dem ersten „Rettungspaket“ sind fast 227 Mrd. Euro nach Griechenland geflossen, davon allein 195 Mrd. aus den Euro-Staaten. Deutschland ist mit mehr als 57 Mrd. dabei. Zwar handelt es sich vor allem um Kredite, doch lassen die jüngsten Äußerungen aus Griechenland nichts Gutes ahnen: Nach der Zustimmung des Bundestags zum dritten Hilfspaket teilte Varoufakis am Freitag mit, Griechenland werde eine im Sommer fällige Anleihe über 6,7 Mrd. Euro nicht zurückzahlen können. Am Verlust wäre Deutschland mit rund 2 Mrd. Euro beteiligt – rechnen Sie das mal in Straßensanierungen, Kindertagesstätten und Schwimmbadrenovierungen um.

Aber nicht nur mit Blick auf die mangelnde Solvenz seines Landes öffnete Varoufakis einer breiten Öffentlichkeit die Augen, sondern auch in Bezug auf das sich immer neu widerholende Brüsseler Schmierentheater. Nur wenige Tage nach der Einigung auf das drittes Hilfspaket hatte er ausgeplaudert, die mit der Euro-Gruppe als Bedingung vereinbarte Reformliste sei auf Wunsch einer Reihe von EU-Ländern absichtlich vage formuliert worden, weil eine Einigung auf konkrete Zahlen an dem Wissen gescheitert wäre, dass Griechenland diese niemals erfüllen werde. „Produktive Unschärfe“ nennt dies der griechische Lord Voldemort – man könnte es auch als Betrug am europäischen Steuerzahler bezeichnen, der sich einmal mehr von der Politik hintergangen fühlt. So dürfen wir uns bereits auf das vierte „Rettungspaket“ freuen, das spätestens im kommenden Sommer geschnürt werden muss. Bis dahin wird viel gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen worden sein, ohne Aussicht, die griechische Euro-Totgeburt jemals wiederbeleben zu können. Immer noch fehlt der Politik der Mut, sich ihr Scheitern einzugestehen. Natürlich sind es vor allem geostrategische Überlegungen, die dem Festhalten an der missglückten Gemeinschaftswährung zugrundeliegen.

Doch das Argument der europäischen Einigung zieht längst nicht mehr. Inzwischen sollte jeder erkannt haben, dass das vielbeschworene „Friedensprojekt Euro“ sich längst gegen seine Begründer gewendet hat. Es hat in kürzester Zeit Armut in weite Teile Südeuropas gebracht, die Gesellschaften des Kontinents tief gespalten und Ressentiments zwischen den Völkern wiederbelebt, die längst überwunden schienen. Lediglich Frankreichs Regierung darf erleichtert aufatmen, dass die griechische Tragödie derzeit den Blick auf größeres Ungemach verstellt. Denn unsere Nachbarn stehen ebenfalls am Euro-Abgrund – und feiern einen Rechtsbruch nach dem anderen. Noch können sie sich darauf verlassen, dass die europäischen Finanzminister die Problematik kleinreden. Zu sehr fürchten diese sich davor, die mangelnde Euro-Tauglichkeit Frankreichs zuzugeben. Heimlich, still und leise hat die EU-Kommission Frankreich im lauten Getöse um Griechenland daher erlaubt, weiterhin gegen den Stabilitätspakt zu verstoßen, der ursprünglich einmal das „Grundgesetz“ des Euros war. Und auch Italien kann Im Euro nur überleben, weil es unter Mario Draghis Führung durch die EZB künstlich beatmet wird. Noch laufen die Herz-Lungen-Maschinen im Euro-Hospital. Klinisch tot sind die Patienten aber schon.

1. Februar 2015

Brandherd Euro: Griechenlands Radikalisierung ist erst der Anfang

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Letzte Woche habe ich auf die schwelende Euro-Krise hingewiesen, die für manchen schon erledigt schien. Sie war aber natürlich nie gelöst, sondern strebt unaufhaltsam dem großen Knall entgegen. Eigentlich drohte dieser bereits durch den gewaltigen Refinanzierungsbedarf Italiens, doch konnte sich die Regierung des Landes auf ihren Abgesandten im EZB-Tower verlassen, der im Januar die Notbremse zog. Der insgesamt auf mehr als 1,1 Billionen Euro veranschlagte Ankauf von Anleihen durch die EZB wird dafür sorgen, dass Italien und einige andere Euro-Staaten sich für die nächsten eineinhalb Jahre keine Gedanken machen müssen, woher das Geld kommen soll, um ihre unvorstellbaren Staatsschulden zu finanzieren. Nun aber ist etwas passiert, was selbst die EZB und ihre umtriebigen Auftraggeber aus der EU-Zentrale nicht verhindern konnten: Die Griechen haben sich eine Regierung gewählt, der die bisher getroffenen Vereinbarungen und unterzeichneten Verträge egal sind. Das war zwar abzusehen, doch darf man getrost behaupten, dass nun eine Zeitenwende in Europa angebrochen ist. In Griechenland hat 70 Jahre nach dem Ende des II. Weltkriegs in Europa erstmals wieder eine demokratisch legitimierte faschistische Regierung die Macht erobert.

So geht der heutige „Klodeckel“ an den neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Der Vorsitzende der linksradikalen „Syriza“ hat sich die Kollegen aus dem rechtsextremen Parteienspektrum dazu geholt, um regieren zu können. Europa steuert auf ungewisse Zeiten zu, denn die „national-sozialistische NS-Regierung“, wie Roland Tichy, früherer Chefredakteur der Wirtschaftswoche, sie nennt, birgt einen gewaltigen Sprengsatz. Anders als beim Euro behauptet, besitzt das kleine, wirtschaftlich eher unbedeutende Land nun tatsächlich die Möglichkeit, den Kontinent mit einer unberechenbaren Regierung aus Radikalen ins Verderben zu stürzen. Dass dies möglich wurde, haben vor allem die unverbesserlichen Euro-Verfechter aus Brüssel und ihre Gehilfen aus Paris und Berlin zu verantworten. Mit Ansage liefen sie in eine Sackgasse, vor der einige kluge Köpfe schon zur Euro-Einführung gewarnt hatten: Der Euro stiftet keinen Frieden, sondern bringt Europas Völker gegeneinander auf. Erneut meldeten sich die Mahner vor fünf Jahren zu Wort, als die ersten Beschlüsse zur milliardenschweren Stützung des Euro-unwürdigen Landes im Südosten Europas vorbereitet wurden. Genutzt hat es nichts.

Bis heute sind sage und schreibe rund 200 Mrd. Euro nach Griechenland geflossen, die jedoch weitgehend im Bankensektor versickert sind. Da braucht sich niemand zu wundern, dass die Griechen ihren europäischen Nachbarn nichts zurückzahlen wollen. Schuld an ihrer Misere sind sie allerdings selbst ganz allein, weil sie es nie verstanden haben, einen funktionierenden Staat aufzubauen. Doch mit ihrer Entscheidung zur weitgehenden Staatsfinanzierung hat die EZB das lodernde Feuer weiter angefacht. Schon melden sich Hunderttausende auf Spaniens Straßen zu Wort. Nicht ganz zu Unrecht bezeichnet der ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank Wolfgang Stark die Ankäufe der Staatsanleihen als „Atombombe“. Griechenland wird dies nicht retten, aber das Überleben Italiens und anderer Südstaaten für eine gewisse Zeit sichern. All das passiert auf Kosten der Menschen, die für ihr Alter vorsorgen. Sie werden wohl die nächsten „Montagsdemonstranten“ hierzulande sein, und die Politik täte gut daran, nicht auch sie zu verunglimpfen. Am Ende dürfte der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Ottmar Issing richtig liegen: „In der Geschichte hat noch keine Währungsunion souveräner Staaten überlebt.“

25. Januar 2015

Heuschrecken im Rathaus: Warum überall das Geld fehlt

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Die Eurokrise ist auf die Titelseiten zurückgekehrt. Nicht, dass sie jemals vorbei gewesen wäre, doch spielte sie medial keine Rolle mehr, seit die europäische Politik rechtzeitig zur Europawahl die Ukrainekrise befeuert hatte. Doch nun steht der Euro wieder im Fokus. Am vergangenen Donnerstag vollzog die Europäische Zentralbank einen lange angekündigten Schritt: Sie wird ab März Monat für Monat für 60 Milliarden Euro Anleihen kaufen – überwiegend Staatsanleihen und mindestens für die nächsten eineinhalb Jahre. Mehr als 1,1 Billionen Euro beträgt das Volumen der Maßnahme, das sich jedoch in den kommenden Jahren verdoppeln dürfte. Damit sollen die Staatshaushalte der schwächelnden Euro-Länder in Europas Süden finanziert werden, die künftig also noch weniger Lust auf Spar- oder Reformanstrengungen verspüren werden. Grund für den historischen Schritt der EZB ist eine angeblich drohende Deflation, also die Gefahr dauerhaft sinkender Preise. Dass diese Argumentation nur vorgeschoben ist, haben nicht nur die Deutsche Industrie- und Handelskammer und der Sparkassen- und Giroverband erkannt. Natürlich geht es ausschließlich darum, Milliardenbeträge aus den vernünftig wirtschaftenden Euro-Staaten, allen voran Deutschland, in den angeheirateten Süden umzulenken.

Der Schleusenöffnung vorausgegangen war die Entscheidung der Schweizer Nationalbank, sich vom maroden Euro abzuwenden. Es darf wohl angenommen werden, dass die Schweizer eine Vorstellung davon hatten, was wenige Tage später in Frankfurt beschlossen werden würde. Schließlich war seit geraumer Zeit nur noch über die Größenordnung der Kapitulationserklärung der EZB spekuliert worden. Mit der Entkopplung des Franken vom Euro nahmen die Schweizer eine sprunghafte Aufwertung ihrer eigenen Währung in Kauf, die zwar kurzfristig schmerzhaft ist, sie jedoch aus dem Euro-Abwärtssog heraushalten dürfte. Der damit einhergehende freie Fall der europäischen Kunstwährung hat ein Erdbeben ausgelöst, das noch lange nachhallen wird. Vor allem bei einer Reihe von Kämmerern, den „Finanzministern“ in den Rathäusern der Städte und Gemeinden. Landauf, landab hatten diese auf dem Höhepunkt der Finanzkrise nach Wegen gesucht, den in die Höhe geschnellten Euro-Kreditzinsen zu entkommen. Nicht Wenige waren damals dem Reiz verfallen, sich in Währungen mit vergleichsweise geringem Zinssatz zu verschulden. Dass sie damit ein Währungsrisiko einkauften, schienen sie nicht zu verstehen – oder es interessierte sie nicht. Es ist ja auch nicht das eigene Geld.

So geht der heutige „Klodeckel“ stellvertretend an Dr. Manfred Busch, den grünen Kämmerer der Stadt Bochum. Er ist einer der Spekulanten in den Rathäusern, die mitverantwortlich dafür sind, dass Menschen vor Ort immer mehr kommunale Steuern und Abgaben zahlen müssen und kein Geld mehr für Investitionen in Schulgebäude und Straßensanierungen vorhanden ist. Auf mehr als 220 Mio. Franken beläuft sich der Fremdwährungskredit der Bochumer. Zum Zeitpunkt der Aufnahme vor fünf Jahren entsprach dies 150 Mio. Euro – nun sind es rund 70 Mio. Euro mehr. Der seit zehn Jahren amtierende Busch hat offenbar Spaß an spekulativen Deals. Dazu gehörten Cross-Border-Geschäfte und Swaps ebenso wie Aktienkäufe, bei denen er auf satte Kursgewinne wettete. Spektakulär ist dabei der 70-Mio.-Euro-Verlust, den der Kursverfall der RWE-Aktie Bochums Steuerzahlern beschert hat. Doch nicht nur im Finanzgebaren versickern Milliarden, sondern auch in vielen kommunalen Zweckgesellschaften. Fast immer geht es dabei um persönliche Eitelkeiten und Größenwahn, niemals jedoch um das Wohl der Bürger. Und die Schuldigen sitzen direkt vor unserer Haustür, sie sind oft gar unsere Nachbarn…

13. April 2014

Das „Oma-Blatt“: Ein fingiertes Comeback mit bestelltem Jubel

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Der „Klodeckel des Tages“ geht – nicht zum ersten Mal – an die Vereinigte Deutsche Presse. In geradezu verstörender Eintracht schmetterten die großen deutschen Tageszeitungen ihren Lesern am Freitag eine regelrechte Jubelarie entgegen: „Anleger reißen sich um griechische Staatsanleihen“, schallte es von den Titelseiten sämtlicher Leitmedien. Dabei machten sich die Redaktionen nicht einmal die Mühe, die offenbar politisch eng begleitete Presseaktion mit eigenen Formulierungen zu verschleiern. Nahezu wortgleich wurden die seltsam vorbereitet klingenden Textbausteine zu Griechenlands Comeback an den Finanzmärkten abgedruckt. Das nach wie vor hoch verschuldete Land hatte sich am Donnerstag von Banken, Versicherungen und Hedge Fonds für fünf Jahre insgesamt drei Milliarden Euro zum üppigen Zinssatz von 4,75% geliehen. Regelrecht gefeiert wurde dabei der Umstand, dass die Rückkehr an den Kapitalmarkt nach nur vier Jahren beweise, wie sehr private Investoren dem Land wieder vertrauten. Griechenland, so der Tenor, könne bald vom Tropf der europäischen Steuerzahler genommen werden. Kaum hat man je etwas Lächerlicheres gelesen, als das, was uns die Redaktionen da im offensichtlichen politischen Auftrag auftischten.

Die erfolgreiche Transaktion soll zusammen mit dem bestellten Presserummel sechs Wochen vor der Europawahl für einen Stimmungsumschwung beim euroskeptischen Wahlvolk sorgen. Vor allem aber ist sie eine vom europäischen Steuerzahler finanzierte Imagekampagne der griechischen Regierung: „Seht her, die Rettungsmaßnahmen greifen“. Dass dies keinesfalls so ist, zeigt ein nüchterner Blick auf die Fakten: Die griechische Staatsverschuldung ist mit 177% heute um einiges höher als zu Beginn der Euro-„Rettung“ (auch, weil die Wirtschaftsleistung seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise um mehr als ein Viertel geschrumpft ist), die Arbeitslosigkeit liegt bei schwindelerregenden 27% und die Banken knausern mit Krediten, die man aber dringend für eine Wiederbelebung bräuchte. Doch der 25. Mai rückt näher. Positive Meldungen müssen her, Wahrheiten können warten. Eine dieser Wahrheiten ist, dass die neue Anleihe Griechenland nicht hilft, sondern seine Schuldentragfähigkeit noch verschlechtert. Das Land könnte sich nämlich stattdessen zu einem guten Fünftel des Anleihezinses bei IWF und EU Geld besorgen, die ohnehin bereits ein Vielfaches der nun erzielten drei Milliarden Euro zugesagt haben. Die Show-Veranstaltung ist also nicht mehr als teurer ökonomischer Unfug.

Doch wie erklärt sich die Euphorie der Anleihekäufer? Die Antwort ist simpel: Anders, als in der Vergangenheit dürfen Investoren darauf vertrauen, dass die griechischen Staatsanleihen durch den Rettungsschirm und die Europäische Zentralbank (also Steuermittel) abgesichert werden. Ein Schuldenschnitt, wie er in der Vergangenheit schon einmal erfolgte, ist damit so gut wie ausgeschlossen. Der hohe Zinssatz steht daher in einem völligen Missverhältnis zum geringen Ausfallrisiko. Die Zinszahlungen übernehmen Europas Steuerzahler praktischerweise dabei gleich auch noch. Am Tag danach warfen viele Investoren die gerade erworbene Anleihe dennoch sofort wieder aus dem Depot, weil der Gewinn aus dem schnellen Weiterverkauf eben beruhigender ist, als das Warten auf die jährliche Zinsgutschrift. Vertrauen in die Erholung Griechenlands sieht wohl anders aus. Allerdings hat EZB-Präsident Draghi vor geraumer Zeit angekündigt, er wolle den Euro und die pleitebedrohten Staaten um jeden Preis verteidigen. Und so freuen sich die Hedge Fonds schon auf die nächste Ausgabe griechischer Anleihen. Schiefgehen kann für sie in diesem Spiel nichts. Beim Skat nennt man das „Oma-Blatt“…

2. März 2014

Die neue EU-Freizügigkeit: Karlsruhe bricht das Parteienkartell

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Wieder einmal greift der „Klodeckel des Tages“ ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf. Und erneut ziert die unvorteilhafte Auszeichnung keinesfalls die Richter. Die zweifelhafte Ehre wird der SPD-Politikerin Kerstin Westphal zuteil, die nach dem am Mittwoch verkündeten Fall der 3%-Hürde offenbar den Untergang Europas befürchtet. Auch Deutschland hat also nun – wie die Hälfte der EU-Staaten – keine Sperrklausel mehr für die Europawahl. Das höchste deutsche Gericht habe damit „den Anti-Europäern Tür und Tor geöffnet“, malt die gelernte Erzieherin die Zukunft des Kontinents in düsteren Farben. Ihr geharnischtes Statement gipfelt in der Feststellung, es gebe schon heute unter den 766 Abgeordneten rund 100, „die als Anti-Europäer und Rechtspopulisten versuchen die europäische Volksvertretung zu sabotieren und zu demontieren“. Das wären, liebe Frau Westphal, gut 13% Extremisten, wenn wir der Einfachheit halber mal annehmen, dass Ihre Unterstellung zutrifft. Im Bundestag sind jeweils rund 10% der Sitze an Linkspartei und Grüne vergeben. Wenn das deutsche Parlament also 20% Extremisten aushält, dürfte dies den Europa-Abgeordneten irgendwie auch gelingen.

Geht es der seit 2009 im europäischen Parlament sitzenden 52-Jährigen am Ende vielleicht gar nicht wirklich um Europa, sondern einfach nur um die eigenen Pfründe? Das könnte auch für viele ihrer Kollegen in den beiden großen deutschen Parteien gelten. Auffällig ist nämlich, dass die harsche Kritik am Karlsruher Urteil fast ausschließlich aus den Reihen von CDU und SPD kommt. Dort ist die Zahl derer, die nach dem Richterspruch etwas zu verlieren haben, besonders groß, muss man sich ab sofort doch einer weitaus größeren Konkurrenz um die nur noch 96 deutschen EU-Mandate stellen. Zwar werden künftig immer noch knapp 1% der Stimmen benötigt, um einen Sitz im EU-Parlament zu ergattern, doch dürfte dies einer ganzen Reihe von Parteien am 25. Mai auch gelingen. Dass sich darunter vor allem „Radikale und Verrückte“ befinden, wie CDU-Mann Herbert Reul befürchtet, ist eine Diffamierung, aus der die ganze Verzweiflung über Mitbewerber spricht, die man sich durch schier unüberwindbare Marktzugangsbarrieren bisher vom Leib gehalten hatte. Natürlich birgt die traditionell geringe Wahlbeteiligung bei der Europawahl die Gefahr, dass ohne Sperrklausel künftig Parteien vom linken und rechten Rand Mandatsträger nach Straßburg und Brüssel entsenden.

Wer aber diese Extremisten in einen Topf mit Demokraten wirft, die die Intransparenz der Europäischen Union oder den Wahnsinn der Euro-„Rettungsmaßnahmen“ kritisieren, macht sich verdächtig, populistische Hetze zu betreiben. Womöglich sind also nicht die Kritiker der aktuellen EU die Anti-Europäer, sondern jene, die das Europaparlament möglichst wirksam gegen Andersdenkende abschotten wollen. Das Urteil der Karlsruher Richter ist somit schon deshalb zu begrüßen, weil es endlich zu mehr Meinungsvielfalt im EU-Apparat führen wird, wenn die Schar der deutschen Abgeordneten nicht mehr nur aus den üblichen handverlesenen Parteisoldaten besteht. Das kann der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Europaparlaments nur guttun. Und es könnte auf lange Sicht der Erkenntnis zum Durchbruch verhelfen, dass ein enger Verbund starker souveräner Nationalstaaten die beste aller Alternativen ist und weder eine Brüsseler Supernanny, noch das Korsett einer gemeinsamen Währung benötigt, um erfolgreich zu sein. Und auch Frau Westphal wird ihr Herz für die Demokratie sicher bald entdecken – spätestens, wenn ihre Brüsseler Mission beendet ist. Dann darf sie wieder ganz Bürgerin sein und Selbstverständliches auch aussprechen…

9. Februar 2014

Mutlose Richter: Karlsruhe beugt sich den Anti-Euopäern

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Die Woche hatte es in sich. Immer neue „Preisträger“ drängten nach vorne. Als ich mich dann für den „Einpeitscher vom Bosporus“ entschieden hatte, kam das Bundesverfassungsgericht und warf alle meine Gedanken wieder über den Haufen. Aber der Reihe nach: Zunächst gönnte sich der türkische Ministerpräsident Erdogan nicht nur einen seiner berühmt-berüchtigten Wahlkampfauftritte in Berlin, bei denen sich die Frage stellt, was die Bundeskanzlerin davon abgehalten hatte, mit großem Getöse in Palma de Mallorca einzumarschieren, um die dort lebenden Deutschen im Bundestagswahlkampf zu mobilisieren. Dann beschloss das türkische Parlament auf Antrag von Erdogans AKP eine weitgehende Internetzensur. Von nun an dürfen Behörden nach Belieben Internetsperren ohne Gerichtsbeschluss verhängen. Außerdem sind Provider künftig verpflichtet, Verbindungsdaten zwei Jahre lang zu speichern. Die EU zeigte sich empört, was einigermaßen verwundert, gibt es doch auch dort ähnliche Bestrebungen. Vielleicht also war Erdogans Vorstoß gar als Entgegenkommen gemeint, um dem stockenden Beitrittsprozess seines Landes neuen Schwung zu verleihen. Man weiß es nicht.

Bleiben wir bei der EU. Genauer gesagt bei ihren Euro-Mitgliedsstaaten. Diese erwartete am Freitag eine spannende Entscheidung. Zwar urteilte das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von mehr als 37.000 Beschwerdeführern „nur“ über die Verfassungsmäßigkeit nach deutschem Recht, doch wusste jeder, dass der Karlsruher Urteilsspruch ein europäisches Erdbeben hätte auslösen können. Es ging um nicht weniger als die Frage, ob der von der Europäischen Zentralbank (EZB) vor eineinhalb Jahren angekündigte unbegrenzte Ankauf von Staatsanleihen zur „Rettung“ des Euro-Systems mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Zwar hat die EZB von diesem „OMT-Programm“ bisher keinen Gebrauch gemacht, doch waren sich die acht Verfassungsrichter mit gewaltiger Mehrheit einig, dass dieses „über das Mandat der Europäischen Zentralbank für die Währungspolitik hinausgeht und damit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreift sowie gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt.“ Ohne parlamentarischen Auftrag darf die EZB ihre Gelddrucker also nicht anwerfen, um klinisch tote Euro-Patienten künstlich zu beatmen.

Doch trotz der eindeutigen Feststellung sah sich das Gericht nicht imstande, abschließend zu entscheiden. Es legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Zu groß war wohl die Angst, dem Euro-Projekt den Todesstoß zu versetzen. Und damit ist der Ausgang programmiert, zumal amtierender Präsident des EuGH der Grieche Vassilios Skouris ist. Die EZB-Granden atmeten erleichtert auf und bewiesen viel Kreativität dabei, die klaren Worte aus Karlsruhe in ihrem Sinne umzudeuten, ganz so, wie man es von den Politbüros früherer Tage kennt. Und auch ihre Brüsseler Gehilfen meldeten sich umgehend zu Wort. Sie frohlockten angesichts der Kapitulationserklärung des höchsten deutschen Gerichts, das zwar die Rechtswidrigkeit des EZB-Handelns feststellte, von einem Urteilsspruch aber absah. Damit ist die letzte Bastion gefallen. Die Anti-Europäer haben nun freie Bahn auf ihrem Kurs der Entdemokratisierung der Europäischen Union. Und die Transferunion mit nach unten offener Umverteilungsskala ist errichtet. Seit Freitag ist klar, dass in der Euro-Frage künftig auch in Deutschland Macht vor Recht geht – und dafür gibt´s den „Klodeckel des Tages“.

1. Dezember 2013

Der „Copy & Paste“-Club: Die deutschen Medien im Armutsrausch

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Mitte der Woche machte eine ganze Zunft einmal mehr unrühmlich auf sich aufmerksam. Die Meinungsmacher der Print-, Internet- und TV-Redaktionen präsentierten der Öffentlichkeit einmütig die von der Deutschen Presseagentur übernommene Quintessenz des „Datenreports 2013“. Dieser wird einmal im Jahr vom Statistischen Bundesamt, der Bundeszentrale für politische Bildung und zwei weiteren wissenschaftlichen Instituten erhoben, um zu messen, wie es um den Wohlstand und die soziale Sicherheit der Deutschen bestellt ist. Wichtige Fingerzeige enthält auch der diesjährige Sozialbericht wieder, doch verdient die versammelte Heerschar der deutschen Medien kollektiv den „Klodeckel des Tages“ dafür, dass Analyse und Recherche in der heutigen „Echtzeitwelt“ immer öfter auf der Strecke bleiben. Jeder will der Erste sein – oder wenigstens knapp als Zweiter durchs Ziel gehen. Das geht nur, wenn man vom Schnellsten abschreibt. Egal, ob Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Welt oder Zeit, alle waren sich einig, dass es hierzulande trotz steigender Beschäftigung immer mehr Armut gibt. Aufwiegeln ist gut für die Quote: „Wir hier unten gegen die da oben“.

Doch was steht wirklich in jenem Kapitel 6 des Datenreports, das erfrischend sachlich mit „Private Haushalte – Einkommen, Ausgaben, Ausstattung“ überschrieben ist? Die Ergebnisse lassen sich auf einen klaren Nenner bringen. In der Zusammenfassung heißt es wörtlich: „Zwischen 2009 und 2010 stieg der Median des Äquivalenzeinkommens in Deutschland. Die Ungleichheit der Einkommensverteilung ist konstant geblieben.“ Mit anderen Worten: Die Kluft zwischen arm und reich ist eben nicht größer geworden. Zudem bezieht sich die Statistik auf jene Jahre, in denen die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt erlebte und Millionen Beschäftigte zu verminderten Bezügen in Kurzarbeit geparkt wurden. Gemäß der Definition des Reports ist man mit weniger als 60% des mittleren Nettoeinkommens armutsgefährdet (nicht etwa arm). Diese Schwelle erhöht sich bei steigendem Durchschnittseinkommen – eine mathematische Binsenweisheit. Wer also unterdurchschnittliche Einkommenssteigerungen erlebt, wird unter Umständen der Gruppe der Armutsgefährdeten zugerechnet, ohne zwangsläufig ärmer zu sein als zuvor. Doch selbst unter den extremen Rahmenbedingungen der Krisenjahre stieg der Anteil derer, die unter der 60%-Grenze lagen zwischen 2007 und 2011 auf moderatem Niveau nicht einmal um einen Prozentpunkt an.

Eine sinnvolle Aussage ist ohnehin nur möglich, wenn man die Einkommenssteigerungen vor dem Hintergrund der Inflationsentwicklung betrachtet. Und hier läge tatsächlich ein Ansatz zu erheblicher Kritik – die jedoch nicht Arbeitgeber oder gar den Kapitalismus als Ganzes treffen kann. Sie muss sich an die Euro-Jubler richten, die beharrlich negieren, dass das Kunstprodukt einer verkorksten Gemeinschaftswährung wohlstandsgefährdend ist. Erst die Preissprünge des vergangenen Jahrzehnts, die kurzzeitig durch die Staatsschuldenkrise gebremst wurden, um in den letzten beiden Jahren umso schnellere Fahrt aufzunehmen, haben die Deutschen ärmer gemacht. Preissteigerungen gerade bei den Gütern des täglichen Bedarfs von mehr als 5% wecken Erinnerungen an die 1980er Jahre, als aber auch der Zins für Geldanlagen der Inflation Rechnung trug. Heute müssen wir konstatieren, dass das mafiöse Geflecht aus Zentralbanken und politischen Eliten die Ersparnisse einer ganzen Generation vernichtet – ganz egal, ob der Einzelne mit seinem persönlichen Einkommen nun über oder unter der willkürlichen 60%-Schwelle liegt. Und erst hier – bei der dramatischen Einschätzung des Risikos der Altersarmut – liegen die Kommentatoren richtig.

17. November 2013

Der Export-Buhmann: Deutschland in der Protektionismus-Zange

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Bei kaum einem Thema wird so sehr gelogen wie beim Euro. Die in den vergangenen Jahren immer weiter perfektionierte Propaganda von IWF, EU-Kommission und Euro-Gruppe stellt selbst die professionellste Desinformation des früheren Politbüros der DDR in den Schatten. Überstrahlt wird das immerwährende Mantra vom heiligen Euro von der ebenso legendären wie blödsinnigen These: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“. Und das Ganze nur, um eine ohne jede Not kreierte Gemeinschaftswährung zu verteidigen, deren Zerstörungskraft sich jedem vernünftig Denkenden inzwischen erschließen müsste. Dass Deutschland vom Euro am meisten profitiere, ist eine nicht minder sinnfreie Behauptung. Wer ist dieses Deutschland? Seine international agierenden Großkonzerne? Seine politischen Eliten? Nein! Deutschland, das sind die Bürger mit ihren Sparguthaben und ihrer Altersvorsorge. Deren Ersparnisse werden also nunmehr auf dem Altar der Schuldenmacher geopfert, was nicht unbedingt den Schluss nahelegt, sie seien die Profiteure des Euros.

Aber auch volkswirtschaftlich betrachtet ist Deutschland längst die Herz-Lungen-Maschine Europas und als „ewiger Zahlmeister“ in eine völlig neue Dimension vorgestoßen. In diesem Jahrhundert dürfte es wohl keiner Generation in unserem Land mehr gelingen, nachhaltig Vermögen aufzubauen. Als wäre dies nicht bereits schlimm genug, hat sich nun auch noch das feixende Gesicht der Umverteilungsmaschine zu Wort gemeldet: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er erhält für seine Kritik am deutschen Exportboom den „Klodeckel des Tages“, den er sich mit US-Ökonom Paul Krugman teilen darf, der unlängst ins gleiche Horn stieß. Letzterem ist anzukreiden, dass er sein Fach ja eigentlich verstehen müsste, ist er doch immerhin Wirtschafts-Nobelpreisträger. Als willfähriger Handlanger einer verzweifelten US-Regierung ist er sich aber offenbar nicht zu schade. Barroso wiederum kündigte Mitte der Woche ein Prüfverfahren an, mittels dessen die EU-Kommission Deutschlands Exportstärke unter die Lupe nehmen werde. Dabei exportierte Deutschland schon immer mehr als es importierte. Früher aber hatten die europäischen Nachbarn die Möglichkeit, dies über ihre eigenen Währungen auszugleichen. Doch dann kam der Euro. Hätte Barroso seine Pläne am 11.11. zum Start der Karnevalskampagne verkündet – er hätte alle Lacher auf seiner Seite gehabt. Aber er meint es ernst.

Ohne jede Rechtsgrundlage soll ein Staat nun dazu verpflichtet werden, sich schwächer zu machen als er ist. Verkehrte Welt – und doch Sinnbild eines Zeitgeistes, auf den künftige Generationen wohl einmal kopfschüttelnd zurückblicken werden, so wie wir auf die Ereignisse der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Der von den durchsichtigen Scharaden der Amerikaner befeuerte und purer Verzweiflung folgende Ruf aus Brüssel ist also nicht mehr, als der Versuch, die Fehlkonstruktion der Gemeinschaftswährung durch die Herabsetzung der deutschen Exportstärke beheben zu wollen. Besser wäre es, wenn die Brüsseler Bürokraten jene Länder zu mehr Solidität und zu Strukturreformen anhalten würden, die heute am Tropf der Geldgeber hängen. Doch dazu fehlt nicht nur der Mut, sondern auch das Personal: Alle entscheidenden Stellen im Euro-Pokerspiel sind seit Jahren mit Südländern besetzt. Wer hat da wohl die besten Karten? Ein Trost bleibt Barroso und Krugman: Wenn die künftige Große Koalition auch nur einen Teil ihrer insgesamt 50 Milliarden teuren Rückschritte umsetzt, hat sich das Problem mit der überstarken Wirtschaftsmacht Deutschland bald von selbst erledigt.

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