Klodeckel des Tages

6. September 2015

Trotz aller Tragödien: Auswanderer sind keine Flüchtlinge

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Wenn ein Kind stirbt, ist dies eine Tragödie. Vor allem für dessen Eltern. Das Bild eines toten Kindes macht betroffen, traurig und wütend. Aus gutem Grund gilt das ungeschriebene Gesetz, dass die Redaktionen der Fernsehsender Zuschauern Bilder von sterbenden oder getöteten Menschen nicht zumuten. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um kleine Kinder handelt. Doch von dieser Selbstverpflichtung wollten Medienverantwortliche in dieser Woche nichts mehr wissen. Zu gut passte das Foto eines toten kurdischen Jungen am Strand ihnen ins Konzept. Zwar wurden die Berichte, die mit dem unerträglichen Bild des kleinen toten Aylan aufmachten, mit belegter Stimme und traurigen Kulleraugen anmoderiert, doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass mit Kalkül vorgegangen wurde. Der Fotografin, die das Foto schoss, mag man noch hehre Absichten unterstellen, als sie ihren verstörenden Schnappschuss an die großen Presseagenturen verkaufte. Sie habe den Schrei des toten Jungen hörbar machen wollen. Was allerdings dann folgte, war obszön. Skrupellos schlachteten deutsche und europäische Medien die Szene für ihre Propaganda aus. Der offensichtliche Missbrauch des Todes eines Kindes ist der vorläufige Tiefpunkt in der Berichterstattung zum allbeherrschende Thema dieses Jahres.

Nun endlich konnte man dem Flüchtlingsdebakel ein Gesicht geben, dessen Wirkung manch Medienschaffender selbstzufrieden mit jener des von Napalm-Verbrennungen gezeichneten Mädchens im Vietnamkrieg verglich. Es wurde das Pressefoto des Jahres 1972. Ganz sicher wird auch dem Foto des toten Aylan diese „Ehre“ zuteil. Selbstverliebt scheint es der Branche einmal mehr lediglich darum zu gehen, maximale Aufmerksamkeit zu erzielen. Vor allem aber darum, das Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik vollends von der sachlichen auf die emotionale Ebene zu befördern, um damit auch die letzten Diskussionen zu ersticken, die so dringend notwendig wären. Dafür war man sich nicht zu schade, rund um die schreckliche Tragödie eine anrührende Flüchtlingsgeschichte zu konstruieren, die es so nicht gab. Natürlich wurde der kleine Aylan wie auch sein nur wenig älterer Bruder und die Mutter Opfer der von Schleppern organisierten Überfahrt nach Griechenland. Diesen Teil der Geschichte erzählte man uns gerne. Doch unisono verschwiegen die deutschen Medien zunächst, dass die kurdische Familie zuvor bereits drei Jahre lang in der Türkei gelebt hatte, nachdem sie 2012 aus Syrien gekommen war. Sie waren also einmal Flüchtlinge – vor drei Jahren.

Unter dem Erdogan-Regime ist das Leben für Kurden in der Türkei ganz sicher nicht angenehm. Eine Flucht aus Sorge um Leib und Leben war die Überfahrt zur Insel Kos allerdings keinesfalls. Die kurdische Familie hoffte auf diese Weise, irgendwie zur Schwester des Vaters nach Kanada weiterreisen zu können, wo sie sich eine bessere Zukunft erwartete. Stattdessen wurde dem Zuschauer der Eindruck vermittelt, hier seien vier Flüchtlinge mit letzter Kraft dem syrischen Terror entkommen und dabei tragisch verunglückt. Was wie eine Bagatelle anmutet, ist eine brandgefährliche Strategie: Mit ihrer Desinformationspolitik stärken die deutschen Medien die radikalen Ränder der Gesellschaft. Ich finde es darüber hinaus jedoch unerträglich, dass von Schlepperbanden angeworbene Auswanderer auf eine Stufe mit Menschen wie meinem Vater gestellt werden, der über Nacht aus dem Iran vor einem grausamen Regime flüchten musste, weil er die „falsche“ Religion hatte. Mein Vater floh zu Fuß über die Berge bis nach Pakistan, ohne zu wissen, was ihm dort drohte. Bootsreisende, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Hände der Schlepper-Mafia begeben und sich irgendwo in Europa absetzen lassen, sind keine Flüchtlinge. Daran ändert auch die furchtbare Tragödie von Bodrum nichts.

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2. August 2015

Der Drehtüreffekt: Die Verlockung der Heimkehrprämie

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Kaum etwas beschäftigt uns derzeit so sehr wie die Flüchtlingspolitik. Fast scheint es, als gäbe es nichts mehr zur gescheiterten Gemeinschaftswährung, zum Krieg in der Ukraine oder zum islamistischen Terror zu sagen. Und für die überwiegend grün-affinen Redakteure spielt es beim Thema Asyl keine Rolle, ob jemand einfach nur kommt, weil er hier ohne eigenes Zutun ordentlich leben kann, oder ob er zuhause tatsächlich um Leib und Leben fürchten muss. Doch Umfragen zeigen, dass die Stimmung kippt. Die Menschen wissen sehr wohl zu unterscheiden zwischen denen, die in echter Not sind und unsere Hilfe benötigen, und jenen, die ausnutzen, dass Demokratie und Sozialstaat immer auch Schlupflöcher für Betrügereien bieten. Doch wehe dem, der dies ausspricht! In einer gigantischen Gehirnwäsche versuchen Medien und Politik, jedwede Hinterfragung der Asylpolitik als dumpfe Fremdenfeindlichkeit zu brandmarken. Keine Nachrichtensendung kommt mehr ohne den erhobenen Zeigefinger aus, und die Zeitungen sind sich nicht zu schade, vorgefertigte Meldungen darüber zu verbreiten, dass ein Asylbewerber gefundenes Geld artig abgegeben habe. Recht unglaubwürdig, wenn dies plötzlich gehäuft passiert und mehrfach mit demselben Foto des angeblichen Finders illustriert wird.

Doch anders, als die Meinungsmacher uns tagtäglich einreden wollen, gibt es hierzulande nur wenige Unverbesserliche, die grundsätzlich etwas gegen den Zuzug von Fremden haben. Diese sind mit erfundenen Zeitungsmeldungen ebenso wenig zu beeindrucken, wie mit moralischen Appellen. Der übergroße Rest stört sich hingegen an der aufdringlichen Medienkampagne, die allem Erlebten zuwiderläuft. Und immer deutlicher wird, dass die grüne Blockade-Politik beim Thema Asyl den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährdet. Die ehemalige Öko-Partei sorgt nämlich seit Jahren dafür, dass einige Balkanstaaten in Deutschland immer noch nicht als „sicher“ eingestuft werden. Dadurch können Mazedonier, Albaner und Kosovaren hier Asyl beantragen, während ihnen dies etwa in Frankreich oder Österreich verwehrt ist. Nur deshalb explodieren aktuell hierzulande die Asylbewerberzahlen. Schlimmer noch: Obwohl bislang im Jahr 2015 nach rund 35.000 abschließend bearbeiteten Asylanträgen vom Balkan nicht einmal zehn (!) Personen ein Bleiberecht erhielten, hält beispielsweise in Hessen die zuständige grüne Regierungspräsidentin ihre Praxis aufrecht, die fast durchweg aussichtslosen Antragsteller aus den Sammelunterkünften auf die Kommunen zu verteilen und damit für Zündstoff zu sorgen.

Die finanziell und logistisch völlig überforderten Kommunen wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als drastische Maßnahmen zu ergreifen: Schulturnhallen werden zweckentfremdet, um Betten für Flüchtlinge aufzustellen, Container werden neben Einkaufszentren errichtet, selbst Zelte vor Fußballstadien wie in Hamburg soll es geben. Vor allem aber überlegen immer mehr Landräte und Bürgermeister, wie sie die „Gäste“ vom Balkan wieder loswerden, bei denen sich immer stärker der Verdacht aufdrängt, dass sich der Asylantrag zum lukrativen Volkssport entwickelt. Den Vogel schießt dabei der südbadische Landkreis Lörrach ab: Dieser lobt nun Sonderprämien für jene Flüchtlinge aus, die bereit sind, Deutschland wieder zu verlassen. Über mehr als 1.850 Euro darf sich eine dreiköpfige Familie aus Albanien freuen, wenn sie wieder geht. Doch keine Kontrolle verhindert, dass diese in einigen Wochen erneut einen Asylantrag stellt – oder beim nächsten Mal andere Familienangehörige schickt. Die südbadische Idee ist nicht neu. Seit Jahrzehnten versuchen Bund und Länder, Asylbewerber aus steuerfinanzierten Fördertöpfen zur Heimkehr zu bewegen. Doch die deutsche Politik muss umdenken: Soll unsere Gesellschaft nicht auseinanderbrechen, muss die Herrschaft der Gutmenschen rasch enden!

31. Mai 2015

Merkels Maut-Trick: Große Koalition kann sich auf Brüssel verlassen

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Als CSU-Chef Horst Seehofer 2013 von der Pkw-Maut schwadronierte, schwante vielen nichts Gutes. Schnell wurde klar, dass sich die damalige bayerische Wahlkampf-Parole irgendwann verselbständigen würde. Zwar legte Angela Merkel umgehend ihr Veto ein, doch wusste jeder, dass dies nichts zu bedeuten hatte. Und vor zwei Monaten war es soweit: Unter der Führung der Wendehals-Kanzlerin durfte sich Seehofers Splitterpartei einer ausreichenden Zustimmung nicht nur aus den Reihen der CDU, sondern auch der SPD sicher sein. Mietpreisbremse und Mindestlohn hier, Mütterrente und Maut dort, lautete der Kuhhandel. Dass Rechtsexperten nicht müde wurden, auf die Fragwürdigkeit des Maut-Unterfangens hinzuweisen, dass die EU unmissverständliche Signale der Gegenwehr aussandte und dass die Modellrechnungen zum Ergebnis kamen, der immense Verwaltungsaufwand werde alle Einnahmen verschlingen, störte die Großkoalitionäre nicht. Die Maut musste her. Und am Ende hatten alle bekommen, was sie wollten. Die Koalitionspartner zumindest. Ob es dem Bürger nutzt, spielt keine Rolle. Was zählt, ist der Koalitionsfriede, wen stören da die paar Millionen Empörten?

Und tatsächlich schien die Beruhigungspille zu wirken, die man dem Wahlvolk verabreichte: Für die zusätzlichen Kosten der Maut werde man die Kfz-Steuer in gleicher Höhe absenken. Bei neueren, sehr sparsamen Modellen ging aber schon diese Rechnung von Beginn an nicht auf. Und man darf inzwischen annehmen, dass sie auch für keinen der übrigen 44 Millionen Pkws in Deutschland funktionieren wird. Zum Wochenausklang verkündete nämlich die EU-Kommission, gegen das deutsche Maut-Gesetz klagen zu wollen. Es bevorzuge einheimische Kfz-Halter in unangemessener Weise, weil diese – anders als ausländische Autofahrer – die Maut über eine Reduzierung der Kfz-Steuer faktisch nicht zu berappen hätten. Nun werden sich die Juristen streiten, doch einiges deutet schon jetzt darauf hin, dass die geplante Maut dem deutschen Autofahrer am Ende zusätzliche Kosten bescheren wird. Der Bundestagswahlkampf 2017 dürfte sein erstes Thema haben. Ist der deutsche Michel ansonsten auch mit außerordentlichem Langmut gesegnet, hört der Spaß beim Thema Auto ganz sicher auf. Und beim Geld sowieso. Das Scheitern der Maut wird die CSU unter Beschuss bringen.

Von ihrer Stammtischwählerschaft, die sich um ein Wahlversprechen betrogen sieht, von der SPD, die schon Anfang 2013 gewütet hatte, die Maut sei unsozial, und von den Autofahrern in Deutschland, für die nun zur Gewissheit wird, was viele schon lange vermuteten: Sie werden künftig noch stärker abkassiert. Man muss schon sehr an das Gute in der Welt glauben, um der Union Fahrlässigkeit in der Umsetzung ihrer Maut-Pläne zu attestieren. Zu sehr war von Beginn an erkennbar, dass die Sache in die Hose gehen würde. Steckte gar Kalkül dahinter? Immerhin könnte man sich nun darauf herausreden, man habe ja gewollt, aber die EU lasse einen eben nicht. Vielleicht auch deshalb Merkels und Gabriels zur Schau gestellte Gelassenheit. Das Geld fließt in die Kassen und zurückzugeben braucht man nichts – Brüssel sei Dank. Doch einer könnte sich diesmal verrechnet haben. Die Mehrwertsteuersenkung konnte die CSU 2010 noch der FDP in die Schuhe schieben, weil diese so sehr mit sich selbst beschäftigt war, dass sie das Foulspiel gar nicht bemerkte. Für das Maut-Desaster wird aber auch der wendige Seehofer keinen Sündenbock finden, will er nicht die Große Koalition mit Anti-EU-Tiraden aufs Spiel setzen.

9. November 2014

Brüsseler Planwirtschaft: Oettinger will Konzerne vor Kunden schützen

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Diese Woche hatte es in sich. Reihenweise standen die Bewerber für den „Klodeckel des Tages“ Schlange: Deutschlands Chef-Streiker legten nochmal eine Schippe drauf und die Republik fast drei Tage lahm, bis die Kanzlerin einschritt, weil sie sich ihre Mauerfall-Party nicht verderben lassen wollte; der „Kalif vom Bosporus“ meldete sich zu Wort, weil er sich durch eine Karikatur in einem deutschen Schulbuch beleidigt fühlte. Daraufhin forderte die baden-württembergische Integrationsministerin ernsthaft einen Türkei-Beauftragten der Bundesregierung zum besseren gegenseitigen Verständnis. Vermutlich hält sie sich dabei selbst für die perfekte Besetzung, lockt doch eine großzügigere Bezahlung und vor allem mehr Medienpräsenz; Pippi Langstrumpf fiel der Political Correctness zum Opfer und darf künftig bestimmte Sachen nicht mehr sagen oder tun. Aus der weihnachtlichen TV-Fassung wurden Pippis Schlitzaugen-Grimassen einfach herausgeschnitten – und auch der legendäre „Negerkönig“ fiel der Schere zum Opfer. Jede Menge Stoff also. Doch dann kam Günther Oettinger. Der frisch gekürte EU-Digitalkommissar hat den Oberregulierer in sich entdeckt.

Ziel seiner Attacke: Die deutschen Internetnutzer. Weil diese sich so gar nicht nach dem Willen der zur Planwirtschaft konvertierten CDU verhalten, will Oettinger sie an die Kette legen. Denn kaum kurbelt ein Internetanbieter den Wettbewerb mit einem günstigen Tarif an, ist es aus mit der Treue. Machten es Lethargie und falsch verstandene Loyalität den Konzernen früher leicht, überhöhte Preise am Markt zu etablieren, haben die Deutschen inzwischen dazugelernt. Ob im Strommarkt, bei der Kfz-Versicherung oder bei Telekommunikationsdienstleistungen: Deutsche Verbraucher nutzen ihre Marktmacht und zwingen die Anbieter damit zu Kreativität, Service und Effizienz. Doch in Zeiten einer von sozialistischen Projekten geprägten Großen Koalition ist Wettbewerb verpönt. Planwirtschaft nun also auch beim Thema Internet. Ganz im Sinne des Zeitgeistes soll bei der Vertragsgestaltung Schluss sein mit Freiheit und Eigenverantwortung. Oettinger sorgt sich um die Planungssicherheit der Telekom-Konzerne, wenn Kunden nach der Mindestvertragslaufzeit einfach den Anbieter wechseln können. Dabei laufen Neuverträge in der Regel immerhin zwei Jahre.

Für den deutschen EU-Kommissar ist die Möglichkeit zum regelmäßigen Wechsel der Grund für die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, stärker in den Netzausbau zu investieren. Da haben die Lobbyisten ganze Arbeit geleistet. Marktwirtschaft als Investitionsbremse, darauf muss man erstmal kommen! Internetkunden soll daher der Anbieterwechsel „für eine gewisse Zeit“ verboten werden. Mit seinem Vorstoß scheint Oettinger jene Kritiker zu bestätigen, die ihn im Amt des Digitalkommissars für eine Fehlbesetzung halten. Er versteht offenbar einfach zu wenig von der digitalen Welt. Erst vor wenigen Wochen hatte der frühere Ministerpräsident Baden-Württembergs bei seiner Anhörung im Europaparlament für Kopfschütteln gesorgt, als er jene Prominente pauschal als „dumm“ verunglimpfte, von denen kompromittierende Bilder im Netz aufgetaucht waren. Er bezichtigte sie eines leichtfertigen Umgangs mit ihren intimen Fotos und Videos, obwohl es sich in der Mehrzahl der Fälle um Datendiebstahl gehandelt hatte. Dabei hätte man beim mit der englischen Sprache auf Kriegsfuß stehenden Oettinger eigentlich annehmen können, dass er problemlos von „Cloud“ auf „geklaut“ gekommen wäre…

1. Juni 2014

Doppelt hält besser: Die journalistische Gier nach mehr Einfluss

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Die deutsche Journalisten-Riege durfte sich in der abgelaufenen Woche wieder einmal mit sich selbst beschäftigen. Einen der Ihren stellte sie an den Pranger, nachdem dieser sich in einer politischen Talkshow damit gebrüstet hatte, seine Stimme bei der Europawahl gleich zweimal abgegeben zu haben. Unbekümmert plauderte „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo aus, er habe als Inhaber der deutschen und der italienischen Staatsbürgerschaft am vergangenen Wochenende doppelt gewählt. Dass dies möglich wurde, war der Gründlichkeit seiner beiden Heimatländer geschuldet: Sowohl aus Italien, als auch aus Deutschland hatte di Lorenzo eine Wahlbenachrichtigung erhalten. Und erstaunlicherweise schlussfolgerte der politisch äußerst bewanderte Intimus von Altkanzler Helmut Schmidt daraus, dass er auch zweimal zur Urne schreiten dürfe. Dafür gibt´s den “Klodeckel des Tages”, denn es gehört schon ein spezielles Demokratieverständnis zu der Überzeugung, man dürfe bei ein und derselben Wahl mehrfach abstimmen, weil man zwei Pässe hat. Der Durchschnittswähler, der sich ansonsten nicht viel aus Politik und Statuten macht, hätte hier wohl seine Skrupel gehabt.

Doch Zweifel beschlichen den zuweilen etwas selbstgerecht daher kommenden Intellektuellen offensichtlich nicht. Und das, obwohl auf der Online-Plattform des von ihm höchst selbst verantworteten Wochenmagazins gerade mal vier Tage vor seiner Stimmabgabe ein Artikel erschienen war, in dem die Problematik möglicher Mehrfachwähler mit Doppelpass ausführlich beleuchtet und die strafbare Handlung der Wahlfälschung thematisiert worden war. Bis zu fünf Jahre Haft drohen hierfür nach dem Strafgesetzbuch, doch di Lorenzo wird sicher mit einer Geldstrafe davon kommen. Allerdings muss sich der begeisterte Urnengänger ernsthaft fragen lassen, warum ihm die einfache Stimmabgabe zu profan erscheint. Keine gute Figur gab der 55-Jährige überdies Mitte der Woche während eines Vortrags zum Thema “Die Macht der Medien in Deutschland” ab, als er sich bei den anwesenden Kollegen darüber beklagte, wie ungerecht er sich behandelt fühle. Zwar entschuldigte sich der Deutsch-Italiener für seine doppelte Wahlhandlung, doch flüchtete er sich zugleich in die Opferrolle und verstieg sich zu dem völlig unangemessenen Vergleich mit der Treibjagd auf Ex-Bundespräsident Wulff.

Für einen, der die Mechanismen der Szene seit über 30 Jahren kennt und mitbestimmt, war dies ein recht peinlicher Auftritt. Di Lorenzo hätte besser geschwiegen. Doch vielleicht hat die Selbsterfahrung des Politik-Journalisten am Ende auch ihr Gutes: Der Talkmoderator hat einen neuen Aspekt in die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt. Und auch an seiner Kollegenschelte ist durchaus etwas dran. Im Mittelpunkt sollte dabei aber vor allem stehen, die recherchefaulen sowie orthografisch und sprachlich limitierten Protagonisten in den Redaktionsstuben wieder zu mehr Disziplin und Gründlichkeit anzuhalten. Schaden kann es zwar nicht, wenn di Lorenzo seine Zunft ermahnt, “empathischer und verständnisvoller auf die Menschen zu blicken”, doch zur Wahrheit gehört auch, dass dies ebenso umgekehrt gilt: Viel zu oft machen sich Journalisten zu willfährigen Erfüllungsgehilfen politischer Ideologen. Der fehlenden Empathie im Allgemeinen steht weitaus häufiger eine mangelnde Kritikfähigkeit im Besonderen gegenüber. Ein dringlicherer Appell an di Lorenzo und seine Kollegen erscheint mir daher, sich endlich wieder mehr Sachverstand und Unabhängigkeit zu erarbeiten.

4. Mai 2014

Tagegeld-König Schulz: Reich durch Brüssels Perpetuum Mobile

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Der „Klodeckel des Tages“ wandert an die Europäische Union für ihre aktuelle Regelung, dem Präsidenten des EU-Parlaments ein Tagegeld für jeden einzelnen Tag des Jahres zu gewähren – unabhängig davon, ob er tätig ist und Ausgaben im Rahmen seiner Amtsausübung hat, oder nicht. So darf sich SPD-Mann Martin Schulz in seiner Funktion als Parlamentspräsident über ein stattliches Zubrot von steuerfreien 110.960 Euro im Jahr freuen. Wohlgemerkt: Zusätzlich zu seinen Abgeordnetenbezügen und allen anderen Vorteilen, die ein Europaparlamentarier so genießt. Ein einfacher EU-Abgeordneter erhält monatlich mehr als 6.200 Euro netto sowie eine pauschale Spesenvergütung von nahezu 4.300 Euro. Dazu kommt das besagte Tagegeld. Und für die Anstellung eines Assistenten zahlt der europäische Steuerzahler jedem Abgeordneten noch einmal bis zu 19.700 Euro pro Monat. Ein großzügig bemessenes Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung, das für mindestens sechs Monate nach dem Ausscheiden gezahlt wird, sowie nicht zu verachtende Pensionsregelungen runden das Bild ab.

Natürlich hat ein Parlamentspräsident mehr zu tun als andere Abgeordnete. Dass man ihm aber ohne jeden Nachweis pauschal eine sechsstellige Summe einfach so steuerfrei zusätzlich überweisen muss, darf schon in Frage gestellt werden. Passend zum gesamten Gebaren eines auf Intransparenz und Verschleierung angelegten Apparates gestattet die Verwaltung der Europäischen Union Schulz auf diese Weise seit 2012 ein massives Zusatzeinkommen, das mit dem verharmlosenden Begriff des Tagegeldes als scheinbar unregelmäßige, anlassbezogene Vergütung deklariert wird. Würde ihm sein Obulus als reguläre Gehaltszahlung überwiesen, müsste Schulz aufgrund des extrem niedrigen EU-Steuersatzes und der fehlenden Pflicht zur Leistung von Sozialabgaben zwar auf vergleichsweise wenig, aber immerhin noch 27.000 Euro verzichten. So schüttelt man über eine Konstruktion ungläubig den Kopf, die suggeriert, Schulz sei trotz vielfältiger Funktionen und selbst während seines Wahlkampfes 365 Tage im Jahr durchgängig für das Parlament im Einsatz und erhalte das kontinuierliche Tagegeld zu Recht.

Bekannt wurde das Brüsseler Perpetuum Mobile, das im Widerspruch zu allen Naturgesetzen steht, überhaupt nur, weil eine Fernsehredaktion hartnäckig nachfragte. Anlass war die Kandidatur des SPD-Parlamentariers für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Hierzu wollte „Report Mainz“ wissen, wie Schulz seine aktuelle Arbeit inhaltlich und finanziell von seinen Wahlkampfaktivitäten trenne. Dieser leugnete zunächst die Existenz der Regelung des ewigen Tagegeldes, was schon viel über ihn verrät. Als es dann gar nicht mehr anders ging, gestand er über sein Büro ein, bislang Dauerbezieher des Zusatzeinkommens gewesen zu sein, dies aber seit dem 18. April 2014 nicht mehr zu erhalten. Dumm für Schulz, dass schon vor diesem Zeitpunkt jede Menge Wahlkampftage dokumentiert sind, an denen er – für alle erkennbar – keineswegs in seiner Funktion als Parlamentspräsident, sondern als Wahlkämpfer unterwegs war. Aber nicht nur das: Der Haushalts-Kontrollausschuss der Europäischen Union monierte unlängst, Schulz missbrauche die Verwaltung für seinen Wahlkampf. Den kümmert das alles nicht. Tarnen, tricksen, täuschen – damit wird man ein ganz Großer in der EU!

16. März 2014

Rote Karte für grüne Arier: Kein Redeverbot für Andersdenkende

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Was für eine Schlappe für die selbsternannten Erziehungsberechtigten der Nation. Nach ihrem Einmarsch in die deutschen Wohnzimmer wollen sie ihr unseliges Treiben nun also auch auf Europa ausdehnen. Den Anfang sollte das EU-Parlament machen, das sich mit einem Antrag konfrontiert sah, keinem Geringeren als Gerhard Schröder Redeverbot zu erteilen. Nicht etwa im Parlament, sondern generell. Dafür gibt´s den „Klodeckel des Tages“. So ungeheuerlich klang die Meldung, die am Donnerstagmittag über den Ticker lief, dass man an einen geschickt lancierten Satirebeitrag dachte. Dabei hatte es die grüne EU-Parlamentarierin Rebecca Harms gar geschafft, einige Abgeordnete der konservativen Fraktion mit ins Boot zu holen, die sich nicht zu schade waren, beim Anschlag auf die Meinungsfreiheit als Komplizen mitzuwirken. Doch das Attentat misslang, weil das Parlament die unwürdige Resolution abschmetterte. Der frühere Bundeskanzler Schröder, heute Aufsichtsratsvorsitzender der Gazprom-Tochter Nord Stream, hatte sich wiederholt kritisch zum Kurs der Europäischen Union in der Ukraine-Krise geäußert. Er bemängelte mehrfach ein fehlendes Verständnis für die Region und attestierte den EU-Verantwortlichen schwere Patzer, die überhaupt erst zur Eskalation geführt hätten.

Dass Schröder in seiner aktuellen Funktion de facto Angestellter des russischen Präsidenten ist, schadet zwar seinem Ansehen in Deutschland, nicht aber dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen. Es ist ganz offensichtlich, dass das Krisenmanagement der Europäischen Union dilettantisch verläuft. Unsicheres Zögern zu Beginn, unrealistische Zusagen an die Opposition, die Zusammenarbeit mit fragwürdigen Gruppierungen zum Sturz des korrupten ukrainischen Ex-Präsidenten und die Androhung alberner Sanktionen kennzeichnen einen Kurs, der völlige Ratlosigkeit und ein krudes Russland-Bild offenbart. Selbst der sicherlich der Kollaboration mit Putin unverdächtige Alt-Kanzler Kohl stellte unlängst fest, dass es dem Westen an Sensibilität im Umgang mit Russland fehle. Schröders Positionen mögen hierzulande unpopulär sein, sie sind aber keinesfalls extremistisch oder aufhetzend. Derlei braucht es aber auch gar nicht, um ins Visier der Grünen zu geraten. Es genügt, zu widersprechen, um die eiserne Faust der Volkserzieher zu spüren. Wer anders denkt und spricht als die Moral-und Sprachpolizei, soll mundtot gemacht werden. Das hat schon CSU-Mann Dobrindt im letztjährigen Wahlkampf erfahren müssen.

Zwar war der grüne Maulkorb für Schröder schnell vom Tisch, doch ein fader Nachgeschmack bleibt. Harms ist immerhin auch die Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl am 25. Mai. Wollen wir wirklich Menschen im Parlament haben, die Andersdenkenden Sprechverbot erteilen? Nach dem Fall der deutschen Sperrklausel für die Wahl hörte man aus der hiesigen Politik viele besorgte Stimmen, nun könnte die Zeit der Extremisten in der Europäischen Union anbrechen. Eine Forderung, wie sie gerade von Harms, Cohn-Bendit & Co. in Brüssel erhoben worden ist, hat man aber selbst aus dem radikalen Parteienspektrum in Deutschland noch nie vernommen. Sitzen die Extremisten also vielleicht längst in Brüssel? Doch grün ist in der Wahrnehmung vieler eben nicht braun und links ist nun einmal nicht rechts. So dürfen sich die guten Extremisten wohl weiterhin größtmöglicher Narrenfreiheit erfreuen, während sich die Kritiker einer intransparenten, undemokratischen und sich überschätzenden Europäischen Union am Pranger wiederfinden. Es wird Zeit, dass die Bevölkerung auch in Deutschland die Europawahl ernst nimmt, damit die Mahner künftig nicht nur einem Redeverbot entgehen, sondern tatsächlich Gehör finden.

2. März 2014

Die neue EU-Freizügigkeit: Karlsruhe bricht das Parteienkartell

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Wieder einmal greift der „Klodeckel des Tages“ ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf. Und erneut ziert die unvorteilhafte Auszeichnung keinesfalls die Richter. Die zweifelhafte Ehre wird der SPD-Politikerin Kerstin Westphal zuteil, die nach dem am Mittwoch verkündeten Fall der 3%-Hürde offenbar den Untergang Europas befürchtet. Auch Deutschland hat also nun – wie die Hälfte der EU-Staaten – keine Sperrklausel mehr für die Europawahl. Das höchste deutsche Gericht habe damit „den Anti-Europäern Tür und Tor geöffnet“, malt die gelernte Erzieherin die Zukunft des Kontinents in düsteren Farben. Ihr geharnischtes Statement gipfelt in der Feststellung, es gebe schon heute unter den 766 Abgeordneten rund 100, „die als Anti-Europäer und Rechtspopulisten versuchen die europäische Volksvertretung zu sabotieren und zu demontieren“. Das wären, liebe Frau Westphal, gut 13% Extremisten, wenn wir der Einfachheit halber mal annehmen, dass Ihre Unterstellung zutrifft. Im Bundestag sind jeweils rund 10% der Sitze an Linkspartei und Grüne vergeben. Wenn das deutsche Parlament also 20% Extremisten aushält, dürfte dies den Europa-Abgeordneten irgendwie auch gelingen.

Geht es der seit 2009 im europäischen Parlament sitzenden 52-Jährigen am Ende vielleicht gar nicht wirklich um Europa, sondern einfach nur um die eigenen Pfründe? Das könnte auch für viele ihrer Kollegen in den beiden großen deutschen Parteien gelten. Auffällig ist nämlich, dass die harsche Kritik am Karlsruher Urteil fast ausschließlich aus den Reihen von CDU und SPD kommt. Dort ist die Zahl derer, die nach dem Richterspruch etwas zu verlieren haben, besonders groß, muss man sich ab sofort doch einer weitaus größeren Konkurrenz um die nur noch 96 deutschen EU-Mandate stellen. Zwar werden künftig immer noch knapp 1% der Stimmen benötigt, um einen Sitz im EU-Parlament zu ergattern, doch dürfte dies einer ganzen Reihe von Parteien am 25. Mai auch gelingen. Dass sich darunter vor allem „Radikale und Verrückte“ befinden, wie CDU-Mann Herbert Reul befürchtet, ist eine Diffamierung, aus der die ganze Verzweiflung über Mitbewerber spricht, die man sich durch schier unüberwindbare Marktzugangsbarrieren bisher vom Leib gehalten hatte. Natürlich birgt die traditionell geringe Wahlbeteiligung bei der Europawahl die Gefahr, dass ohne Sperrklausel künftig Parteien vom linken und rechten Rand Mandatsträger nach Straßburg und Brüssel entsenden.

Wer aber diese Extremisten in einen Topf mit Demokraten wirft, die die Intransparenz der Europäischen Union oder den Wahnsinn der Euro-„Rettungsmaßnahmen“ kritisieren, macht sich verdächtig, populistische Hetze zu betreiben. Womöglich sind also nicht die Kritiker der aktuellen EU die Anti-Europäer, sondern jene, die das Europaparlament möglichst wirksam gegen Andersdenkende abschotten wollen. Das Urteil der Karlsruher Richter ist somit schon deshalb zu begrüßen, weil es endlich zu mehr Meinungsvielfalt im EU-Apparat führen wird, wenn die Schar der deutschen Abgeordneten nicht mehr nur aus den üblichen handverlesenen Parteisoldaten besteht. Das kann der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Europaparlaments nur guttun. Und es könnte auf lange Sicht der Erkenntnis zum Durchbruch verhelfen, dass ein enger Verbund starker souveräner Nationalstaaten die beste aller Alternativen ist und weder eine Brüsseler Supernanny, noch das Korsett einer gemeinsamen Währung benötigt, um erfolgreich zu sein. Und auch Frau Westphal wird ihr Herz für die Demokratie sicher bald entdecken – spätestens, wenn ihre Brüsseler Mission beendet ist. Dann darf sie wieder ganz Bürgerin sein und Selbstverständliches auch aussprechen…

29. Dezember 2013

Dem Zeitgeist geopfert: Das Ende der „Europäischen Idee“

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Der letzte „Klodeckel“ im Jahr 2013 würdigt nicht eine grobe Fehlleistung in der abgelaufenen Woche, sondern richtet den Blick einige Tage voraus. Am 1. Januar 2014 fallen für Rumänen und Bulgaren sieben Jahre nach dem EU-Beitritt ihrer Länder die letzten Schranken. Sie dürfen sich dann in jedem anderen europäischen Staat nicht nur niederlassen und Arbeit suchen, sondern haben auch unmittelbaren Anspruch auf staatliche Unterstützung in den Ländern ihrer Wahl. Gerade Letzteres bereitet den Städten und Gemeinden in Deutschland Sorge, gehören sie doch zu den attraktivsten Zielen der Osteuropäer. Und dies nicht nur wegen der Arbeitsmarktsituation, sondern vor allem aufgrund der „All inclusive light“-Versorgung des deutschen Sozialstaats. Auch eine Reihe von Experten befürchtet, dass die Kommunen dem Ansturm nicht gewachsen sein werden. Nicht so das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), das jubilierend verkündet, die Einwanderung geschätzter weiterer 200.000 Bulgaren und Rumänen allein in 2014 werde Deutschlands Fachkräftemangel lindern. Hierfür erhält IZA-Chef Klaus Zimmermann den „Klodeckel des Tages“.

Die optimistischen IZA-Forscher blenden nämlich eine grundlegende Wahrheit aus: Schon seit dem EU-Beitritt beider Länder ist Akademikern und ausgebildeten Fachkräften die Aufnahme einer Beschäftigung in anderen EU-Staaten erlaubt. Jene hoch qualifizierten Rumänen und Bulgaren, die einen Neuanfang in einer besseren Arbeitswelt suchen, haben ihrem Heimatland längst den Rücken gekehrt. Mit Bedacht war seinerzeit in den Beitrittsverträgen festgehalten worden, dass sich Ungelernte maximal bis zu sechs Monate im Land aufhalten dürfen, um als Saisonarbeiter auszuhelfen. Nur für diese Gruppe entfällt ab Januar die Hürde, die es für Hochqualifizierte nie gab. Wer künftig noch kommt, ist dementsprechend überwiegend gering qualifiziert, wodurch der Druck auf den Arbeitsmarkt im unteren Lohnsegment zunehmen wird. Viele Zuwanderer werden angesichts von Sprachbarrieren und anderen Startschwierigkeiten kaum Arbeit finden. Schon heute ist in Städten wie Duisburg oder Dortmund zu beobachten, was passiert, wenn ganze Stadtviertel dem Zuzug von Armutsflüchtlingen ausgesetzt werden. Immer mehr Alteingesessene wollen dort nicht mehr wohnen und es bilden sich regelrechte Ghettos. Diese Viertel werden nun die ersten Anlaufstellen für die Neuankömmlinge sein.

Aber auch in anderen Regionen – vor allem im prosperierenden Rhein-Main-Gebiet – macht sich die neue Freizügigkeit bereits bemerkbar. Es gehört Mut dazu, dies in Deutschland zu thematisieren, in anderen Ländern ohne nationalsozialistische Vergangenheit wird hingegen deutlich offener diskutiert. Großbritanniens Premierminister hat unlängst artikuliert, was sein Land gegen die drohende Armutseinwanderung in die Sozialsysteme zu tun gedenke. Und selbst im sozialistischen Frankreich verschließt man sich angesichts des bevorstehenden Finanzkollapses der ehemaligen „Grande Nation“ ähnlichen Überlegungen nicht mehr. Andere EU-Länder sehen die Lage entspannter, weil sie aufgrund ihrer wenig üppig ausgestatteten Sozialsysteme für viele Zuwanderer nicht besonders attraktiv sind. Die Armutseinwanderung ist jedoch nur eine der vielen Auswirkungen einer Europapolitik, die sich als Vorreiter eines zerstörerischen Zeitgeistes gebärdet. Gleichmacherei um jeden Preis statt Unterschiedlichkeit und Eigenständigkeit. Im Jahr der Europawahl haben wir die Chance aufzustehen und laut auszurufen, dass wir dieses Europa nicht wollen!

17. November 2013

Der Export-Buhmann: Deutschland in der Protektionismus-Zange

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Bei kaum einem Thema wird so sehr gelogen wie beim Euro. Die in den vergangenen Jahren immer weiter perfektionierte Propaganda von IWF, EU-Kommission und Euro-Gruppe stellt selbst die professionellste Desinformation des früheren Politbüros der DDR in den Schatten. Überstrahlt wird das immerwährende Mantra vom heiligen Euro von der ebenso legendären wie blödsinnigen These: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“. Und das Ganze nur, um eine ohne jede Not kreierte Gemeinschaftswährung zu verteidigen, deren Zerstörungskraft sich jedem vernünftig Denkenden inzwischen erschließen müsste. Dass Deutschland vom Euro am meisten profitiere, ist eine nicht minder sinnfreie Behauptung. Wer ist dieses Deutschland? Seine international agierenden Großkonzerne? Seine politischen Eliten? Nein! Deutschland, das sind die Bürger mit ihren Sparguthaben und ihrer Altersvorsorge. Deren Ersparnisse werden also nunmehr auf dem Altar der Schuldenmacher geopfert, was nicht unbedingt den Schluss nahelegt, sie seien die Profiteure des Euros.

Aber auch volkswirtschaftlich betrachtet ist Deutschland längst die Herz-Lungen-Maschine Europas und als „ewiger Zahlmeister“ in eine völlig neue Dimension vorgestoßen. In diesem Jahrhundert dürfte es wohl keiner Generation in unserem Land mehr gelingen, nachhaltig Vermögen aufzubauen. Als wäre dies nicht bereits schlimm genug, hat sich nun auch noch das feixende Gesicht der Umverteilungsmaschine zu Wort gemeldet: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er erhält für seine Kritik am deutschen Exportboom den „Klodeckel des Tages“, den er sich mit US-Ökonom Paul Krugman teilen darf, der unlängst ins gleiche Horn stieß. Letzterem ist anzukreiden, dass er sein Fach ja eigentlich verstehen müsste, ist er doch immerhin Wirtschafts-Nobelpreisträger. Als willfähriger Handlanger einer verzweifelten US-Regierung ist er sich aber offenbar nicht zu schade. Barroso wiederum kündigte Mitte der Woche ein Prüfverfahren an, mittels dessen die EU-Kommission Deutschlands Exportstärke unter die Lupe nehmen werde. Dabei exportierte Deutschland schon immer mehr als es importierte. Früher aber hatten die europäischen Nachbarn die Möglichkeit, dies über ihre eigenen Währungen auszugleichen. Doch dann kam der Euro. Hätte Barroso seine Pläne am 11.11. zum Start der Karnevalskampagne verkündet – er hätte alle Lacher auf seiner Seite gehabt. Aber er meint es ernst.

Ohne jede Rechtsgrundlage soll ein Staat nun dazu verpflichtet werden, sich schwächer zu machen als er ist. Verkehrte Welt – und doch Sinnbild eines Zeitgeistes, auf den künftige Generationen wohl einmal kopfschüttelnd zurückblicken werden, so wie wir auf die Ereignisse der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Der von den durchsichtigen Scharaden der Amerikaner befeuerte und purer Verzweiflung folgende Ruf aus Brüssel ist also nicht mehr, als der Versuch, die Fehlkonstruktion der Gemeinschaftswährung durch die Herabsetzung der deutschen Exportstärke beheben zu wollen. Besser wäre es, wenn die Brüsseler Bürokraten jene Länder zu mehr Solidität und zu Strukturreformen anhalten würden, die heute am Tropf der Geldgeber hängen. Doch dazu fehlt nicht nur der Mut, sondern auch das Personal: Alle entscheidenden Stellen im Euro-Pokerspiel sind seit Jahren mit Südländern besetzt. Wer hat da wohl die besten Karten? Ein Trost bleibt Barroso und Krugman: Wenn die künftige Große Koalition auch nur einen Teil ihrer insgesamt 50 Milliarden teuren Rückschritte umsetzt, hat sich das Problem mit der überstarken Wirtschaftsmacht Deutschland bald von selbst erledigt.

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